ERLkönig

ERLebnisse, ERLerntes, ERLesenes

Archiv für Mai, 2009

Toulouse 6

21. Mai 2009: letzter Besuchstag heute, morgen gehts wieder nach Old Germany.

Mit der Metro besuchen wir den Japanischen Garten, der enttäuschend klein und vernachlässigt ist. Er hat schon mal bessere Zeiten gesehen.

Mit dem Bus gehts Richtung airport. Chr. will mir seine ausserhalb der Hallen abgestellten 380er Flieger zeigen, doch leider verfehlen wir nach schweisstreibendem Fussmarsch bei 29 Grad den entsprechenden Abschnitt … Dafür gibt es Steak mit Salat in einem der airport nahen Restaurants.

Abends haut Madame Claude uns ein paar Eier auf spanische Art in die Pfanne, und ich durchschwitze infolge des sehr späten Essens einen alptraumgeschwängerten Schlaf, der in seiner Grausamkeit von keinem meiner bisherigen Träume übertroffen werden konnte.

Am nächsten Tag begleitet mich mein Gastgeber zur Busstation, und schon bald trennen uns erst eine Glastür, ein paar Stunden später 1.000 km … Schön war’s, mein lieber Chr! 8 Tage – vergangen wie im Fluge (mit einem 380er) 😉

Toulouse 5

In einem stark frequentierten Park widme ich mich bei strahlendem Sonnenschein meinen „Gespräche mit Gott„, das ich noch nach 79 Seiten am liebsten an die Wand schmeissen möchte, weil ich intellektuell die Dinge nicht nachzuvollziehen imstande bin oder das ganze Geschreibsel nur für einen einzigen Fake halte. Durchhalten tue ich dennoch. Ich hoffe auf Erleuchtung …

Erleuchten tun mich indes die vielen Unterbrechungen in Form von unglaublich vielen (schwarzen) Frauen jeden Alters, die anmutig ihrer Wege daherstolzieren und für mich wie der „Flair de Toulouse“ oder der woher auch immer kühlende Wind in der heissen Sonne sind. Selbst die weniger Situierten sind einfach nur schön …

Nach einem Marsch über den Pont Neuf (Brücke) erreiche ich eine Endbushaltestelle, dessen Chef genau wie seine untergeordneten Fahrer keinen Übersichtsplan für mich hat. Ich solle den nächsten Bus zum Place Esquirol nehmen – er arrangiert eine Freifahrt für mich … Tres gentile (sehr freundlich)!

Eine Weile noch stehe ich neben ihm und mache bedeutungsvolle Mine (so, wie meine eben meistens ist). Dem habe ich wohl zu verdanken, dass alle 6 Busfahrer, die vor „meinem Chefkontrolleur“ neben mir aus einem Shuttle aussteigen, erst ihn und dann mich respektvoll freundlich mit Handschlag begrüssen. Ich nehme an, und „mon controlleur“ grinst sich eins. „Tres gentil!“ sage ich, und er antwortet: „Mais vous aussi!“ (Aber Sie auch!).

Nach der Freifahrt in die City erhalte ich meinen ersehnten Plan und eine 2-Tageskarte für schlappe 7 Euronen, mit der ich beliebig viele Mitfahrer einladen kann … Das erste Preiswerte, was mir in Frankreich begegnet!

Mit dem erst besten Bus verfahre ich mich gleich und lande in irgend einem falschen Aussenort (Ville de Balma), steige an der erst besten und falschen Haltestelle aus und treffe auf das erst beste Restaurant an irgend einer falschen vorortigen Nebenstrasse.

Die Kreidetafel frohlockt mit Plat de jour für 9 €: mixed grilled Schlachtplatte mit Polenta. Ich erhalte die Reste eines explodierten Hähnchens – immerhin ein ganzes Hühnerbein -, 2 verkohlte Bratwürstchen, die so grob sind, dass man sie schon als agressiv bezeichnen kann. Das Stück Schweinebauch (Hilfe, Heinz, die haben hier Bauch!!!) lass ich besser liegen: ce n’est pas gentile pour ma silhouette 😉 !

Nach einer kleinen Stadtrundfahrt mit dem Bus retour lande ich fix und foxy zu Haus. Chr. kauft ein und bereitet einen formidablen Salat. Madame lockt uns mit einem leckeren Armagnac ins Wohnzimmer und verpasst uns noch ein paar anstrengende Französisch-Lektionen. Bon nuit et bon reves!

Toulouse 4

Mit einem Buch bewaffnet suche ich mir in der drehzahlmässig auf Maximum getunten Geschäftigkeit dieser Stadt ein paar schattige Bäume und gebe mich in diesem Getöse der Musse hin … Auf meinem Weg: Croissantschleckerund Kaffeeschlürfer in jedem Caffe und Bistrot …

Frühstück bei Tiffany ...Frühstück bei Tiffany …

Seit Tagen schaue ich aus dem Fenster des 1. Stocks unserer Komfortwohnung auf die mittags prall besetzten Tische einer Creperie. Heute bin ich selbst dabei! „Formule de Jour“ (quasi Stammessen in multiplen Gängen) kündigt an: Crepe mit Schinken, Käse, Champignons gefüllt an Roquefort auf Salatblatt im Crepeschiffchen (entspricht 2 Gängen), Nachtisch: Crepe gefüllt mit Erdbeermarmelade, Flasch H2O – macht zusammen 9,90.Bon!

Abends stürzen wir uns in das Getümmel der HALLE AUX GRAINS. Philpp, ein schwiizer Kollege von Chr. hat dankenswerterweise Karten besorgt für das Mozart’sche Requiem. 1.500 Besucher im historischen 6EckBau mit exzellenter Akkustik. Im Vorprogramm stimmt ein 24köpfiger Chor einen befremdlichen Singsang in Stakkato-7 Oktaven-Intonisierung an, dass ich hilfesuchend aber vergeblich den Notausgang suche … Lakonische Kritikeranmerkung: Bedeutungsvolle aber hinreichend überflüssige Darbietung! Tinnitus bis in die Füsse! Ich kann mich fast nicht beherrschen, als Chr. mir mit rollenden Augen zuflüstert: „Ich kann kaum den zweiten Teil des Werkes erwarten …!“

Nahezu harmonisierende Abbitte leistet anschliessende Mozart-Darbietung, die nach ca. 2 Stunden durch frenetischen Beifall des begeisterten Publikums quittiert und bewertet wird. Ein schönes Tagesende! Danke, lieber Chrishy!

Toulouse 3

Der gestrige Tag war ein erholsamer: aufgestanden gegen 16:00 Uhr, Muscheln gegessen gegen 20:00, ins Bett gegen 23:00. Wenn ich jetzt noch lerne, nachts 5 Stunden länger durchzuhalten, habe ich den französischen Rhytmus intus.

Heute morgen – Chrishy hat schon längst ein paar Seitenleitwerke des A380 wieder gerade gebogen – wandere ich ein paar Strassen ab, gönne mir einen Milchkaffe mit einem Croissant und blinzel in die spärliche Sonne über einer der zahllosen Kathedralen.

Gegen 12:30 sind nahezu alle Strassen besetzt, denn es gibt kein Restaurant, kein Bistrot, das seine Tische nicht auf dem noch so schmalen Bürgersteig platziert hat. So wird ein Spaziergang in der Innenstadt zum Hürdenlauf über gedeckte Tische … Und wehe, Du setzt nur einen Fuss auf die Strasse! Die nächste Harley, der nächste Geländewagen fährt ihn Dir eiligst ab!

Erst, wenn man ungehinderten Blick auf das kleine Kopfsteinpflaster der alten Gassen hat, erkennt man, wie die ganze Stadt ungesühnt von Männern verpisst und von Hunden verkackt ist … An manchen Stellen ist der penetrante Uringestank nicht auszuhalten!

Abends – Papa macht Pasta an Gruyere zum Rotwein – lernen wir Madame (Claude) etwas näher kennen. Spontan lädt sie uns auf ihren riesigen Landsitz mit über 14 Zimmern ein – irgendwann, wenn Mama endlich von ihrem schmerzhaften Sterben erlöst sein wird …

Toulouse 2

Um 11 treten wir in die französische Samstags-Sonne, die Stadt tobt! Es ist shopping day! Wir streifen im hohen Bogen durch die wimmelnden Strassen gen Norden, rennen gegen die verrammelte wie vergammelte Tür irgend einer riesigen Kathedrale, wenden uns frustriert ab und kaufen uns zwei ThaiPappBoxen mit Huhn und Leis. Den Leis mit Fleischeinlage im Nanobereich verdrücken wir gekonnt mit Stäbchen im Schatten eines Hybiskusstrauches auf einer Parkbank.

Abends korrigieren wir unseren Fehler von gestern und speisen etwas komfortabler. Zum Chillen in der Abendsonne gehen wir runter an die Garonne, wo 100e von Studenten und solche, die sich zugehörig fühlen, mit Unmengen an Wein, Bier, Pizza, Torten und Tupperdosen zu Gitarrenklängen und MariuanaWolken den Samstag ausklingen lassen. In einem Land, im dem der Müll noch immer nicht getrennt wird, verhalten sich die Jugendlichen hier sehr diszipliniert: der verursachte Müll wird aufgeräumt, Bier- und Weinflschen aber sind in der Überzahl, und begraben bald sämtliche Abfallkörbe entlang der Promenade unter sich …

Ohne Kiff aber nach viel Gaff ziehen wir den Rückzug an und vertilgen noch eine Pizza, bevor wir mit Krampfadern ins Bett fallen …

Toulouse 1

Seit knapp 3 Monaten mischt mein Filius als Praktikant bei AIRBUS in der Produktion des A380 überaus engagiert mit. Seine Begeisterung für den in der Produktion befindichen A380, für die Aufgaben im Qualitätsmanagement sowie für die 30 köpfige Horde internationaler Studienkollegen  kennt keine Grenzen. Papa kommt für ein paar Tage zu Besuch …

Nach zwei Stunden schweigsamen Nachtflugs setzt die BAe 146 (British Aerospcace) der Eurowings pünktlich um 23:50 in Toulouse auf.

BAe 146

Der letzte Bus spuckt mich zwei Stationen weiter am Jeanne s’Arc Platz aus, wo ich müde in Chrishys Arme falle. Mitten im Zentrum in einer der vielen, engen Gassen erreichen wir bald das Riesentor, das uns in einen geräumigen Innenhof eines im 16. Jahrhundert (!!!) ehemals genutzten Hospitals führt. Im hinteren Komplex betreten wir im ersten Stock eine labyrinthartige Wohnung mit 4,20 m Deckenhöhe. Alles ist 16. Jahrhundert – selbst mein Bett und die 3 übereinander geschichteten, über mir zusammenfallenden Matratzen, in denen ich dem sicheren Erstickungstod zum Opfer fallen würde, hätte ich nicht meine Beatmungsmaske mit dem 2 Meter langen Schlauch aufgesetzt …

Am nächsten Morgen – Ch. ist schon längst aus dem Haus – weckt mich lautes Palawer. Madame telefoniert. Erst jetzt erkenne ich die Dimensionen Chrishys vorübergehender Wahlheimat: ein 5 x 5 Meter-Zimmer  mit angeflanschtem Duschbad. Die 25 qm werden um Faktor 0,7 erweitert durch eine in Eigenbau erstellte Zwischendecke. Auf massiver Balkenkonstruktion (in vollem Sichtbereich meines darunter liegenden Marshmallowbettes) und 19mm Spanplatte trohnt ein Doppelbett, das über eine zusammengeschusterte, halsbrecherischen Hühnerleiter zu erreichen ist. Dieses Gesamtwerk eines kleinen Himmelreiches ist entweder über einen Umweg durch Küche oder Wohnzimmer zu erreichen.

Ich mache Morgentoilette und laufe Madame in die Arme. Als erstes überschwemmt sie mich in perfektem Englisch mit Lobhuldigungen über ihren jungen Gast (dem sie immerhin 460 € monatlich für die spartanisch ausgestattete Studentenbude abknöpft), um dann eine 10 minütige Kurzfassung Ihrer 68 Lebensjahre abzugeben. Ihre 98jährige Mutter liegt im Sterben, eine Ihrer zwei Töchter wohnt im selben Haus – mit ihren Kindern: ein 4-Generationen-Haus also! Nach dem Motto <Mein Haus ist Dein Haus> offeriert sie mir Kühlschrank, Kaffee, Speiseraum. Wirklich eine Nette!!! Sie scheint den Charme dieser Enklave auszumachen. Ich hoffe, mein Eindruck bleibt …

Alice, der portugisische Putzteufel, kümmert sich ums Bettenmachen, um Sauberkeit von Wohnung und Wäsche – auch die von Ch. !!! Und das ist gut so.

Ich trete durch das Riesenportal und tauche unmittelbar ein in das pralle Treiben dieser Stadt. Wären die Autos nicht, wären die unzähligen kleinen Geschäfte, Bars und Caffees nicht, wären da nicht McDoof, C&A wie LaFayette, man könnte glauben, das 17. Jahrhundert sei gerade angebrochen … Hier hat wahrhaftig alles an Backstein, Kopfstein, Stuck- und Holzverzierungen den Krieg überlebt. Aber wie es so ist: Eigentum verpflichtet; zum großen Teil nagt an vielen der privaten wie auch öffentlichen Gemäuer der Zahn der Zeit und hat bis heut schon gute Arbeit geleistet.

Nach 2 Stunden sind meine Füsse breit, und ich laß mich nieder auf dem Stuhl eines einfachen Lokals, das seine 3 Tische auf dem Trottoire als permanente Barriere für Fussgänger plaziert hat. Niemanden kratzt das hier!

Für 5 Euronen bekomme ich eine Plastikschale altölgeschwängerter, dafür hausgeschnitzter Fritten, dazu ein Karäffchen Wasser zum Runterspülen des im „Poulet-Menue“ angepriesenen Sesambrötchens, das bunt gefüllt ist: rot, weiss, grün. Muss also Tomate sein, Majo und Salat. Oder war letzteres ein Frosch? Hühnchen war drin, aber nicht die Spur zu schmecken! Bon appetit!

Zum Käffchen pirsche ich weiter, immer weitere Kreise um Madams Anwesen ziehend, vorbei an Schülern, die zur Entspannung vom aufregenden Unterricht einen in Zeitungspapier gedrehten joint auf einer alten Wehrmauer hockend zur Lunge nehmen, vorbei an vernachlässigten Hunden mit ihren nicht minder vernachlässigten Herrchen, vorbei an auffallend vielen, sehr weiblich gekleideten und hochgestöckelten Damen mit Einkaufstüten, deren Aufschrift die Potenz ihrer Geldbörse bzw. die ihrer Gönner verraten, vorbei an weniger gepflegten, dafür nicht minder auffallend gekleideten Hobbynüttchen, die sich nikotin und -sonstwasabhängig vornehmlich im Eingangsbereich von Kaufhäusern herumdrücken. Dabei dem Visier der Heerscharen an Vespas, Fahrrädern und Autos nicht zum Opfer zu fallen, bedarf es eines hohen tänzerischen Geschicks, eines durchtrainierten Körpers sowie einer megaschnellen Informationsverarbeitung durch den internen Arbeitsspeicher, der seinen input über permanent einprasselnde, audio-optische Reize bezieht!

„Caffe au lait, s’il vous plait!“ Das Tässchen, garniert mit Schokoplätzchen und obligatorischem Zuckertütchen, ist schnell vernichtet. Zielsicher treffe ich nach ein paar Irritationsrunden im System der sich ähnelnden Gässchen auf Madames Monsterpforte und versinke sprichwörtlich in meinem Kuschelbett. 16:00 Uhr und schon wieder müde …

Der Tag ging zur Neige mit einem kleinen Zug durch Gassen und Gastronomie … Das Geld ging dabei zur Neige wie Sand in den Händen: ein Roter, das ist ein Gläschen billigsten Hausweins (0,1 l !!!!), nicht unter 3,20 Euronen zu haben! Die spinnen, die Franzosen! Wir auch, denn es wurde eine teure Nacht … Bon nuit!